Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Kompromissvorschlag zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens zum Erhalt des Krankenhauses Miltenberg und dem Landkreis Miltenberg sowie der Krankenhaus-GmbH Landkreis Miltenberg

BezeichnungInhalt
Sitzung:26.05.2003   KT/007/2003 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Landrat Schwing führte aus, daß er noch einmal kurz auf die Historie eingehen möchte. Nach intensiven Vorbereitungen im Verwaltungsrat der Krankenhaus-GmbH Landkreis Miltenberg sowie weiteren Fachgremien habe der Kreistag am 16.12.2002 mit breiter Mehrheit die Strukturreform für die Krankenhaus-GmbH mit Wirkung vom 01.01.2004 beschlossen. In der Folge seien gegen diese geplante Strukturänderung Bedenken laut geworden. Daraufhin habe sich ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Krankenhauses Miltenberg formiert. Den Initiatoren dieses Begehrens, vertreten durch Herrn Johannes Oswald, Frau Katja Schäfer und Herrn Thomas Hench sei es gelungen, 10.479 gültige Unterschriften für ihr Begehren zu erhalten und damit auch die Zulassung des Bürgerbegehrens zu erreichen. Der Kreistag habe am 30.04.2003 dieses Begehren zugelassen und als Abstimmungstermin 20.07.2003 festgelegt.

 

Von Anfang an seien die Landkreisverwaltung und die Geschäftsführung der Krankenhaus-GmbH mit den Vertretern der Bürgerinitiative im Gespräch gewesen. In zahlreichen Besprechungen seien die gegenseitigen Positionen verdeutlicht worden. Dabei sei von Anfang an beiden Seiten ein Ziel gemeinsam gewesen: Der Erhalt der Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach a.Main. Im Rahmen dieser Abstimmungsrunden hätten viele offene Fragen und Mißverständnisse ausgeräumt und geklärt werden können. Letztendlich sei es am 23.05. 2003 gelungen, eine Grundlage zu finden, die für beide Seiten eine akzeptable Lösung darstelle. Dieser Kompromißvorschlag sehe folgende Punkte vor:

 

1.  Die Vertreter des Bürgerbegehrens verzichten auf ihre Forderung zum Erhalt der Geburtshilfe am Krankenhaus Miltenberg. Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern und Hebammen, die bisher in Miltenberg tätig waren und durch die Zusammenlegung der Geburtshilfe nur noch Gelegenheit haben, in Erlenbach a.Main tätig zu sein, werden ohne persönliche Schlechterstellung in Erlenbach a.Main übernommen.

 

2.  Die Unfallchirurgie bleibt dauerhaft täglich, auch Samstags, Sonntags und an Feiertagen von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Die Unfallchirurgie wird durch die Hauptabteilung Chirurgie am Krankenhaus Miltenberg betrieben. Mittwochs und an Wochenenden kann dieser Notdienst ersatzweise durch niedergelassene Chirurgen übernommen werden. Dieser unfallchirurgische Notdienst findet im Krankenhaus Miltenberg statt.

 

3.  Gemeinsames Ziel ist der Betrieb eines Computertomographen mit schneller Datenübertragung im Internet oder Magnetom am Krankenhaus in Miltenberg. Ein gemeinsames Gremium, bestehend aus den beiden Chefärzten Dr. Hermann und Dr. Zecha, zwei Vertretern des Bürgerbegehrens, zwei Mitgliedern der Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH, sowie Dr. Tobias und/oder Dr. Rühl wird beauftragt, alle offenen Fragen für den Betrieb eines Computertomographen am Krankenhaus Miltenberg bis 31.07.2003 zu klären. Sollte der Betrieb eines Computertomographen möglich sein, wird dieser unter folgenden Bedingungen bis möglichst Ende 2003 beschafft:

     a)  Für den Betrieb des Computertomographen wird die erforderliche Zulassung erteilt. Die Geschäftsführung wird beauftragt, hierfür alle notwendigen Schritte mit Nachdruck zu unternehmen.

     b)  Der Betrieb des Computertomographen ist mit einem Defizit von jährlich maximal 30.000,00 € zu gewährleisten. Berechnungsgrundlage ist eine Betriebszeit von fünf Jahren.

 

4.  Die bis Ende Juni 2003 durch die Vertreter des Bürgerbegehrens gesammelten und eingereichten Vorschläge und Ideen werden durch ein Gremium ernsthaft und zeitnah geprüft. Dieses Gremium besteht aus maximal drei Vertretern des Bürgerbegehrens, zwei Vertretern der Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH, den Ärztlichen Direktoren der beiden Häuser sowie einem Vertreter des Betriebsrates.

 

Landrat Schwing hob hervor, daß es mit diesem Kompromißvorschlag nicht gelingen werde, das vollständige Defizit der Krankenhaus-GmbH abzubauen. Allerdings biete er eine gute Grundlage, das Defizit wesentlich abzumildern. Von Seiten der Verwaltung und der Geschäftsführung seien erhebliche Zugeständnisse gemacht worden. Diese Zugeständnisse seien auch von Seiten der Vertreter des Bürgerbegehrens erfolgt, die sich als ein hartnäckiger aber zielorientierter und kompetenter Verhandlungspartner erwiesen hätten. Auch die Vertreter des Bürgerbegehrens können gestärkt aus dieser Verhandlungsrunde gehen.

 

Landrat Schwing dankte deshalb allen, die dazu beigetragen haben, diese Kompromißlösung zu erreichen. Dennoch wolle er nicht den Hinweis versäumen, daß die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser immer schwieriger werden und Gesetzgeber und Krankenkassen aufgefordert seien, moderate Bedingungen für die Zukunft der Krankenhäuser zu schaffen.

 

Abschließend bat Landrat Schwing um Zustimmung zum vereinbarten Kompromißvorschlag in der vorliegenden Form.

 

Kreisrat Dr. Schüren meinte, ein Kompromiß sei erst dann vernünftig, wenn sich keine der beiden Seiten kompromittiert fühle. Die Qualität des Kompromisses liege ausschließlich in der Tragfähigkeit. Dies wünsche er für das vorliegende Papier. Schwachpunkte liegen allerdings darin,  daß sich Prognosen nicht halten lassen werden. Der Kreistag werde sich heute nicht zum letzten Mal mit Krankenhausfragen beschäftigen müssen, weil das Gesundheitswesen am Tropf der Bundesregierung hänge und der Kreistag nur flexibel oder geschickt reagieren könne. Aus der Aktion “Bürgerbegehren” sollte der Kreistag folgendes gelernt haben: In der Sache habe er sich nicht geirrt, aber in den Auswirkungen seiner Entscheidungen auf die Öffentlichkeit und in der Einschätzung der Sensibilität der Bevölkerung. Er hoffe, daß bei künftigen weiteren Struktureingriffen eine andere Vorgehensweise erfolge, nämlich daß die Bürgerinnen und Bürgern vorab in großer Offenheit informiert werden. Dann werde der Kreistag auch die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger auf seiner Seite haben. Aus diesen Überlegungen heraus könne der Kreistag dem heute vorliegenden Kompromiß zustimmen.

 

Kreisrat Andre vertrat ebenfalls die Meinung, daß der Kreistag heute nicht zum letzten Mal über Krankenhaus-Strukturmaßnahmen entscheiden werde. Er lobte Landrat Schwing und die Vertreter der Krankenhaus-GmbH, die das Anliegen der Bürgerinitiative ernst genommen hätten. Daß die Bürgerinitiative den vorliegenden Kompromiß eingegangen sei, ehre Landrat Schwing und nötige Respekt ab. Wichtig sei, daß der Kreistag eine feste Haltung eingenommen und ein schwieriges Problem gelöst habe. Dem Kreistag und der Krankenhaus-GmbH gehe es nicht allein um Geld und Zahlen, sondern in erster Linie um die optimale Versorgung der Landkreisbevölkerung. Der vorliegende Kompromiß bringe nicht die erhoffte Entlastung. Die einvernehmliche Weiterentwicklung der Struktur der Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach a.Main sei ein so hohes Gut, daß sich ein Kompromiß auf alle Fälle lohne.

 

Kreisrat Lieb sagte, er sehe die Angelegenheit etwas skeptischer. Wenn seine Informationen stimmen, koste der Kompromiß jährlich 300.000,00 €. Das bedeute, daß nächstes Jahr erneut über eine Erhöhung der Kreisumlage diskutiert werden müsse. Klarheit bestehe darüber, daß die Versorgung der Bevölkerung durch die beiden Krankenhäuser gewährleistet sei. Es gebe nur die Frage, an welchem Haus. Nachdem das, was aufgrund des Kompromisses noch umgesetzt werden müsse, zulasten der Kreisumlage gehe, werde er nicht zustimmen.

 

Landrat Schwing bedauerte die Aussage von Kreisrat Lieb und stellte klar, daß der Kompromiß auf den Haushalt 2004 noch keine Auswirkungen habe, weil die Reform erst zum 01.01.2004 in Kraft trete. Was bis dahin auszugleichen sei, müsse gezahlt werden. Die in den Raum gestellten Zahlen sollten mit größter Vorsicht genossen werden. Das größte Risiko liege in der Abdeckung der Dienste in der Unfallchirurgie.

 

Unter Hinweis auf seine eindeutigen Stellungnahmen zur Krankenhaus-Strukturreform in den vergangenen Kreistagssitzungen bemerkte Kreisrat Bieber, es sei bedauerlich, daß die Geburtshilfeabteilung am Krankenhaus Miltenberg völlig wegfalle. Dies müsse von den Beteiligten hingenommen werden. Dennoch begrüße er den vorliegenden Kompromiß, weil gegenüber dem Kreistagsbeschluß vom 16.12.2002 eine deutliche Verbesserung der Notfallversorgung erreicht worden sei. Erfreulich sei auch die Zusage über den Betrieb eines Computertomographen am Krankenhaus Miltenberg. Es werde gehofft, daß eine günstige Lösung gefunden werde. Kreisrat Bieber stimmte sodann dem vorliegenden Kompromiß zu und dankte allen Beteiligten, insbesondere Landrat Schwing sowie den Vertretern der Bürgerinitiative, die sich um eine Lösung im Interesse der Bevölkerung bemüht hätten. Die Tatsache, daß über 10.000 Unterschriften gesammelt worden seien, zeige, daß die Krankenhausversorgung bei der Bevölkerung einen großen Stellenwert habe.

 

Kreisrätin Klappenberger-Thiel bezeichnete die Reform als kleinsten gemeinsamen Nenner, dem sie zustimmen könne. Leider habe sie erst heute vormittag 9.15 Uhr den jetzt zur Diskussion stehenden Vorschlag erhalten und sich nicht mehr informieren können. Sie sei verwundert darüber, daß plötzlich ein Gremium, konkurrierend zum Verwaltungsrat der Krankenhaus-GmbH aufgebaut werden soll.

 

Landrat Schwing erklärte dazu, daß die vorliegende Einigung erst am Freitag, 23.05.2003, zustandegekommen sei. Die Verwaltung habe daraufhin per E-Mail die Fraktionsvorsitzenden und die Mitglieder des Verwaltungsrates der Krankenhaus-GmbH informiert und sie für heute morgen 8.30 Uhr zu einem Gespräch eingeladen. Die Fraktionsvorsitzenden hätten dem Kompromißvorschlag zugestimmt.

 

Kreisrat Dr. Linduschka hielt das Gesundheitswesen für so schlecht, daß es auf die Intensivstation gehöre. Bei künftigen notwendigen Einschnitten müsse der Kreistag verständnisvoller reagieren. Ein erster Schritt könnte sein, daß, wenn der Einzugsbereich für ein Haus größer werde, die Besetzung des Rettungsdienstes angegangen werde. Das neue Konzept stehe und falle nämlich mit dem Rettungsdienst. Ansonsten werde er dem vorliegenden Kompromiß zustimmen.

 

Kreisrat Scherf lobte ebenfalls das Engagement der Bürgerinitiative und fragte, wie künftige Reformvorhaben realisiert werden sollen. Er kündigte an, daß die VertreterInnen von Bündnis 90/Die Grünen trotz Rückzug aus der Arbeitsgemeinschaft dem vorliegenden Kompromiß zustimmen werden.

 

Landrat Schwing schlug vor, heute zunächst die erste Reform umzusetzen. Er bat alle um Mithilfe bei der Umsetzung dieser Reform. Der Kreistag habe 1994 bewußt eine Krankenhaus-GmbH gegründet und die Zuständigkeit zu weiten Teilen verlagert. Bisher habe kein Kreistagsmitglied nur ansatzweise erklärt, daß dies falsch sei. Jetzt, wo es Probleme gebe, könne nicht alles über Bord geworfen werden. Er könne dem Kreistag ein vom Gesundheitsausschuß des Bayer. Landkreistages erarbeitetes Papier zur Verfügung stellen, das folgenden Satz enthalte: “Krankenhäuser können zukünftig nur erfolgreich geführt werden, wenn die Geschäftsführung politisch unabhängig ist.” Dies sollte Anlaß zum Nachdenken sein.

 

Kreisrat Dr. Fahn äußerte, die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen sei zu teuer, es müsse gehandelt werden. Aus diesem Grund sei der vorgeschlagene Schritt notwendig, um mittelfristig die beiden Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach a.Main konkurrenzfähig zu halten. Dieser bundesdeutschen Entwicklung müsse sich auch der Kreistag Miltenberg stellen. Natürlich müsse auch die Seite der Kommunen berücksichtigt werden, d.h. es müßte bekannt sein, mit welchen Kosten gerechnet werden müsse. Er persönlich sei für den Kompromiß, bedauere aber, daß er erst heute morgen bekannt geworden sei.

 

Landrat Schwing bat, den Kompromißvorschlag um folgenden Punkt 5. zu ergänzen: “Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH werden beauftragt, die erforderlichen Beschlüsse zu fassen.”

 

Kreisrätin Wright äußerte sich erfreut über den vorliegenden Kompromiß. Sie dankte der Bürgerinitiative für ihr Engagement und gab ihr sowie der Landkreisbevölkerung folgendes mit: Die Gesundheitsreform der Bundesregierung erfolge nicht nur aus Kostenersparnisgründen, sondern auch zur Stabilisierung und Verbesserung der Qualität.

 

In der sodann erfolgten Abstimmung genehmigte der Kreistag bei fünf Gegenstimmen folgenden Kompromißvorschlag zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens zum Erhalt des Krankenhauses Miltenberg und dem Landkreis Miltenberg sowie der Krankenhaus-GmbH Landkreis Miltenberg:

 

1.  Die Vertreter des Bürgerbegehrens verzichten auf ihre Forderung zum Erhalt der Geburtshilfe am Krankenhaus Miltenberg. Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern und Hebammen, die bisher in Miltenberg tätig waren und durch die Zusammenlegung der Geburtshilfe nur noch Gelegenheit haben, in a.Main tätig zu sein, werden ohne persönliche Schlechterstellung in Erlenbach a.Main übernommen.

 

2.  Die Unfallchirurgie bleibt dauerhaft täglich, auch Samstags, Sonntags und an Feiertagen von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Die Unfallchirurgie wird durch die Hauptabteilung Chirurgie am Krankenhaus Miltenberg betrieben. Mittwochs und an Wochenenden kann dieser Notdienst ersatzweise durch niedergelassene Chirurgen übernommen werden. Dieser unfallchirurgische Notdienst findet im Krankenhaus Miltenberg statt.

 

3.  Gemeinsames Ziel ist der Betrieb eines Computertomographen mit schneller Datenübertragung im Internet oder Magnetom am Krankenhaus in Miltenberg. Ein gemeinsames Gremium, bestehend aus den beiden Chefärzten Dr. Hermann und Dr. Zecha, zwei Vertretern des Bürgerbegehrens, zwei Mitgliedern der Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH, sowie Dr. Tobias und/oder Dr. Rühl wird beauftragt, alle offenen Fragen für den Betrieb eines Computertomographen am Krankenhaus Miltenberg bis 31.07.2003 zu klären. Sollte der Betrieb eines Computertomographen möglich sein, wird dieser unter folgenden Bedingungen bis möglichst Ende 2003 beschafft:

     a)  Für den Betrieb des Computertomographen wird die erforderliche Zulassung erteilt. Die Geschäftsführung wird beauftragt, hierfür alle notwendigen Schritte mit Nachdruck zu unternehmen.

     b)  Der Betrieb des Computertomographen ist mit einem Defizit von jährlich maximal 30.000,00 € zu gewährleisten. Berechnungsgrundlage ist eine Betriebszeit von fünf Jahren.

 

4.  Die bis Ende Juni 2003 durch die Vertreter des Bürgerbegehrens gesammelten und eingereichten Vorschläge und Ideen werden durch ein Gremium ernsthaft und zeitnah geprüft. Dieses Gremium besteht aus maximal drei Vertretern des Bürgerbegehrens, zwei Vertretern der Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH, den Ärztlichen Direktoren der beiden Häuser sowie einem Vertreter des Betriebsrates.

 

5.  Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der Krankenhaus-GmbH werden beauftragt, die erforderlichen Beschlüsse zu fassen.

 

Nachdem Landrat Schwing das Schreiben der Vertreter des Bürgerbegehrens vom 23.05.2003 bekanntgegeben hatte, schlug er vor, im Herbst 2003 an alle Haushalte im Landkreis Miltenberg ein Informationsblatt zu verteilen, in dem auf die beschlossenen Veränderungen und Einsparungsmaßnahmen eingegangen werde.

 

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