Tagesordnungspunkt
TOP Ö 3: Bericht zur Fallzahlen- und Haushaltsentwicklung in den Bereichen Sozialhilfe und Grundsicherung
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 22.05.2003 KA/003/2003 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Unter Hinweis auf die diesjährigen Haushaltsberatungen bemerkte Landrat Schwing, daß allen bekannt sei, wie eng der Haushalt 2003 “gestrickt” sei. Besonders im Sozialhilfebereich gebe es extreme Steigerungen, die nicht erwartet worden seien. Große Probleme gebe es aufgrund der Einführung der Grundsicherung. Der Landkreis werde jetzt dafür bestraft, daß er die Kreisumlage viele Jahre lang niedrig gehalten und so seine Kommunen entlastet habe. Nach der neuesten Statistik liege der Landkreis Miltenberg mit seiner Kreisumlage an 5. Stelle in Bayern. Es gebe Landkreise, die sogar über 50 % Kreisumlage erheben.
Verwaltungsamtmann Vill gab sodann folgenden Bericht:
Nach aktuellen Schätzungen ist davon auszugehen, daß
der Sozialhilfehaushalt zum Jahresende 2003 um ca. 550.000,00 € überzogen wird.
Hilfe zum Lebensunterhalt – örtlicher Träger
Ursache dafür ist in erster Linie ein konjunkturell
bedingter Fallzahlenanstieg im Bereich HLU, der nicht kalkulierbar war. Der
Ausgabenansatz wurde von 2,460.000,00 € (geschätztes Ist zum 31.12.2002) auf
2,200.000,00 € (Ansatz 2003) reduziert, weil von einer Fallzahlenreduzierung
von 130 ausgegangen wurde, die in das GSiG wechselten, was 270.000,00 € ergeben
hätte. Eine Erhöhung der absoluten Fallzahlen wurde nicht veranschlagt,
einerseits, weil damals noch ein Erreichen der konjunkturellen Talsole
angenommen wurde, andererseits vor dem Hintergrund des Gebotes, keinen
künstlich aufgeblähten Haushalt vorzulegen. Tatsächlich ist aber nun seit der
Haushaltsplanerstellung im Oktober 2002 eine kontinuierlich konjunkturell
bedingte Fallzahlenerhöhung um 110 (ca. 13 %) eingetreten, die den Wegfall von
130 Fällen kompensierte. Nach der aktuellen Ausgabenentwicklung wird damit
gerechnet, daß der Ansatz um ca. 329.000,00 € (ca. 15 %) überschritten wird.
Grundsicherungsgesetz (GSiG)
Die GSiG-Bruttoaufwendungen des Landkreises Miltenberg
werden nach aktuellen Schätzungen bei einer derzeit angenommenen Fallzahl von
266 vermutlich bei ca. 744.000,00 € (ca. 161.000,00 € über dem Haushaltsansatz
von 583.000,00 €) liegen. Von 855 bis 15.05.2003 bearbeiteten Anträgen wurden
730 abgelehnt und nur 125 bewilligt. Hauptgrund für die hohe Ablehnungsquote
ist, daß viele nicht wußten, daß das GSiG von den Anspruchsvoraussetzungen und
dem Berechnungsmodus her der Sozialhilfe sehr ähnlich ist. Wichtigster
Unterschied ist, daß Unterhaltsansprüche gegen Eltern und Kinder nur bei einem
Jahreseinkommen über 100.000,00 € den Leistungsanspruch ausschließen. Was
vielen aber nicht bekannt war: Auch Einkünfte und Vermögen des Ehepartners bzw.
Lebensgefährten sind ausschlaggebend. Die Rentenversicherungsträger haben hier
mit der gesetzlich vorgeschriebenen Antragsversendung an Personen mit Renten
unter 844,00 € vielfach falsche Erwartungen geweckt.
Als Bundeserstattung für GSiG-Leistungen sind
150.000,00 € veranschlagt (zum Vergleich: Der Landkreis Aschaffenburg
veranschlagte 27.000,00 € Erstattung.). Der Ansatz erfolgte in der Annahme, daß
die Aufteilung der Erstattungsleistung für Bayern (34,9 Mio €) ausschließlich
unter den örtlichen Grundsicherungsträgern erfolgt. Zwischenzeitlich steht aber
fest, daß die Erstattungsleistung nach dem Verhältnis der tatsächlichen
Nettoausgaben der Landkreise, Städte und Bezirke für Grundsicherung zuzüglich
HLU-Aufwendungen 2003 abzüglich HLU-Aufwendungen 2002 verteilt werden soll. Die
erste Abschlagszahlung soll voraussichtlich im Juli 2003 erfolgen.
Der Bezirk Unterfranken hat für Leistungen nach dem
GSiG an vollstationär untergebrachte Hilfeempfänger im Haushaltshalt 2003 178.600,00 € eingeplant. Nachdem am
Erstattungsbetrag neben den ca. 100 örtlichen Trägern sieben überörtliche
Träger partizipieren, wird der Anteil des Landkreises Miltenberg auch an der
Bundeserstattung vermutlich deutlich unter dem Ansatz liegen.
Aufgrund verschiedener, auch in der Presse
veröffentlichter Aussagen über angebliche Kostenneutralität des GSiG für die
Kommunen wird nochmals klargestellt, daß dem Landkreis Miltenberg aufgrund
dieses Gesetzes durchaus hohe Mehrbelastungen entstehen werden:
Geschätzte jährliche
Gesamtkosten der Grundsicherung (nur Leistungen) ca. 744.000,00 €
sonstige Erstattungen,
veranschlagt 20.000,00
€
Einsparung laufende HLU örtlicher
Träger durch Wechsler ca.
274.000,00 €
angenommene Bundeserstattung,
vermutlich nicht über 100.000,00
€
Mehrbelastung des Kreishaushaltes
durch das GSiG
ohne Personal- und Sachkosten ca.
350.000,00 €
Nachrichtlich: Einsparung
laufender HLU überörtlicher Träger ca.
125.000,00 €
Kreisrat Andre stellte fest, daß ½ % Kreisumlage für das Grundsicherungsgesetz zur Verfügung gestellt werden müsse. Damit über den Haushalt 2004 Einigkeit erzielt werden könne, sei es wichtig, diesen Haushalt schon jetzt gedanklich vorzubereiten. Dazu müsse auch versucht werden zu erreichen, daß das Konnexitätsprinzip nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene eingeführt werde.
Kreisrat Dr. Fahn teilte mit, daß die Freien Wähler
einen Antrag zum Konnexitätsprinzip gestellt hätten, der ein Signal an den Bund
sein soll.
Landrat Schwing erinnerte daran, daß er von Anfang an
gesagt habe, der in Aussicht gestellte Ausgleich werde bei weitem nicht
ausreichen. Der Deutsche Landkreistag habe daher schon vor einigen Monaten
beschlossen, Klage einzureichen. Die Klage sei allerdings bis zum Vorliegen
sicherer Daten zurückgestellt worden. Es werde derzeit geprüft, ob die
Prozeßaussichten bei Klage durch die Kommunen oder durch das Präsidium des
Deutschen Landkreistages besser seien. Zum Antrag der Freien Wähler sei
folgendes zu sagen: Der Bundesgesetzgeber habe das Grundsicherungsgesetz
erlassen und verlange, daß die Kommunen Gelder auszahlen und einen Großteil der
Kosten übernehmen. Bei den bereits genannten Belastungen fehlen noch die
Personal- und Sachkosten. Der von den Freien Wählern zum Konnexitätsprinzip
gestellte Antrag sei rechtswidrig. Der Antrag könne zwar behandelt, müsse aber
beanstandet werden.
Kreisrat Ripperger vertrat die Meinung, daß die Grundidee des Grundsicherungsgesetzes
gut sei. Er stellte dazu folgende Fragen: Liegen schon alle Anträge vor oder
muß mit weiteren Anträgen gerechnet werden? Hat der Bund versprochen, nur die
Kosten für Wechsler oder nur die Differenzbeträge zu übernehmen? Sollte eine
Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe erfolgen, werden auf den
Landkreis Miltenberg weitere hohe Kosten zukommen.
Landrat Schwing sagte dazu, er wage zu bezweifeln, daß
in der jetzigen Situation ein Gesetz bezüglich Zusammenlegung von Sozial- und
Arbeitslosenhilfe beschlossen werde. Der Bund habe übrigens nie gesagt, daß er
alle Kosten übernehmen werde. Vermutlich werde er nur einen Bruchteil der
Kosten übernehmen.
Kreisrat Scherf erklärte, er stehe zu seiner Aussage,
daß das Grundsicherungsgesetz kostenneutral sein werde. Er habe aber nie
gesagt, daß genau der Betrag erstattet werde, der dieses Jahr benötigt werde.
Schließlich sei überhaupt nicht abzuschätzen gewesen, wie hoch der
Kostenaufwand aufgrund dieses Gesetzes sein werde. Er spreche sich deutlich
dagegen aus, daß gesagt werde, es erfolge keine Auszahlung.
Auf die Frage von Kreisrat Oberle nach der
Gegenfinanzierung antwortete Landrat Schwing, daß derzeit keine
Gegenfinanzierung möglich sei.
Kreisrat Dr. Schüren sagte, das Konnexitätsprinzip
werde unabhängig vom GSiG von allen Parteien für wichtig gehalten. Aufgrund der
heute vorgelegten Zahlen sowie der diesjährigen Haushaltsberatung sei es
erforderlich, daß im Vorfeld der kommenden Haushaltsberatungen eine andere Art
Krisenmanagement erfolge. D.h. es sei eine bessere Abstimmung mit den
Bürgermeistern, den Fraktionen und der Verwaltung erforderlich, damit am Schluß
ein vernünftigeres Ergebnis als das bezüglich des Kreishaushalt 2003
herauskomme.
Landrat Schwing bemerkte dazu, daß in den letzten
Jahren nicht früher Haushaltsberatungen hätten stattfinden können, weil die
dazu erforderlichen Zahlen nicht bekannt gewesen seien. Die Verwaltung werde
aber künftig laufend über positive oder negative Haushaltsentwicklungen
berichten.
Auf Befragen von Landrat Schwing, ob der Antrag der
Freien Wähler zurückgezogen werde, antwortete Kreisrat Dr. Fahn wie folgt: Der
Antrag sei ein einstimmiger Fraktionsbeschluß. Er werde rechtzeitig vor der
nächsten Sitzung mitteilen, ob der Antrag zurückgezogen werde.