Tagesordnungspunkt

TOP Ö 6: Frauenhaus Aschaffenburg – Änderungen der Vereinbarung der drei Gebietskörperschaften der Region I mit dem Frauenhausträger

BezeichnungInhalt
Sitzung:27.10.2022   BKS/007/2022 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Folgender Beschluss wurde einstimmig gefasst:

 

Die Verwaltung wird ermächtigt, Änderungen an der Vereinbarung der drei Gebietskörperschaften der Region I mit dem Frauenhausträger in der aktuellen (seit 01.09.2019 gültigen) Fassung vom 28.01.2020 auf der Grundlage folgender wesentlicher Eckpunkte mitzutragen:

 

  • Deckelung des Eigenanteils des AWO-Kreisverbandes Aschaffenburg auf einen Maximalbetrag. Dieser beträgt für das Jahr 2022 11.000 €. In den folgenden Jahren wird der Maximalbetrag nach dem Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Bundesamts angepasst.
  • Erhöhung der laut Stellenplan anerkennungsfähigen Wochenarbeitszeit der Hauswirtschaftskraft (Reinigungsfrau) um 5 Stunden (von 0,4 auf 0,5 VZK, Eingruppierung E2 TVöD (VKA))
  • Umgestaltung der Vereinbarungsformulierung zur Erfüllung der formellen Voraussetzungen einer Leistungsvereinbarung nach § 36a SGB II zur Abrechnung von Kostenerstattungsansprüchen mit anderen Sozialhilfeträgern; hierzu erforderlichenfalls auch Einbezug des Jobcenters Stadt Aschaffenburg als weiteren Vereinbarungspartner.

 

Die Änderungen sollen, soweit möglich, rückwirkend ab 01.01.2022 gelten.


Herr Vill berichtet zu diesem TOP:

 

In der Bildungsausschusssitzung am 28.01.2020 wurde die Verwaltung ermächtigt, die als Anlage beigefügte, für die Zeit ab 01.09.2019 gültige, Vereinbarung der drei Gebietskörperschaften der Region I mit dem Frauenhausträger vom 28.01.2020 abzuschließen.

 

Die in der Tabelle „Übersicht Eigenanteile“ in der Spalte „Zuschuss Kommunen“ genannten Beträge sind die jährlichen kommunalen Ausgaben der drei Gebietskörperschaften für das Frauenhaus, zuletzt für 2021 127.778,00 €. Sie werden nach den Belegungstagen durch Frauen und Kinder aus der jeweiligen Gebietskörperschaft aufgeteilt.

 

Der Anteil des Landkreises Miltenberg unterlag in den letzten Jahren starken Schwankungen. Er betrug

2018:       3,90 %

2019:     33,75 %

2020:     15,77 %

2021:     32,11 %

 

Mit Mail vom 19.07.2022 beantragte der AWO-Kreisverband Aschaffenburg eine Deckelung des Eigenanteils auf jährlich 10.000 €, möglichst bereits für das laufende Jahr 2022, sowie eine Stundenaufstockung für die Reinigungskraft von zusätzlich 5 Wochenstunden.

 

Deckelung des Eigenanteils

 

Der Eigenanteil des AWO-Kreisverbandes Aschaffenburg in Bezug auf die Abrechnung mit den Gebietskörperschaften beträgt aktuell gemäß § 3 der Vereinbarung 10 % der zuwendungsfähigen Ausgaben abzüglich der Einnahmen aus Mieteinnahmen durch die Bewohnerinnen (nicht jedoch Erstattungen anderer Sozialleistungsträger), nicht zweckgebundener Spenden und Bußgeldern.

 

Bei der staatlichen Förderung beträgt der Eigenanteil grundsätzlich mindestens 10 % der zuwendungsfähigen Ausgaben, wobei Mieteinnahmen durch die Bewohnerinnen, Spenden und Bußgelder als Eigenmittel anerkannt werden (Nr. 1.4.4 der Förderrichtlinie alt + neu).

 

Die staatliche Förderrichtlinie (FöRiLi) änderte sich von 2021 auf 2022 in wesentlicher Hinsicht und bewirkt im Ergebnis ab 2022 eine deutlich höhere staatliche Förderung:

 

Nr. 1.5.2 und 1.5.3 (FöRiLi alt + neu) regeln die „zuwendungsfähigen Ausgaben“.

 

Gemäß Ziff. 1.5.3.1 der FöRiLi bis 2021 (alt) durfte die Förderung 50 % der tatsächlichen Personal- und Sachausgaben nicht übersteigen.

 

Diese Einschränkung entfiel in Nr. 1.5.3 FöRiLi 2022 (neu). Die Deckelung der zuwendungsfähigen Personal- und Sachausgaben auf maximal 50 % als Grundlage für die Berechnung der staatlichen Förderung fällt dadurch ab 2022 weg!

 

Dies hat die Folgen:

  • deutliche Erhöhung des staatlichen Zuschusses (+ ca. 30.000 €)
  • dadurch deutliche Verminderung des kommunalen Finanzierungsanteils im Rahmen der Defizitfinanzierung
  • jedoch deutliche Erhöhung des Eigenanteils der AWO, weil dieser sich an den „zuwendungsfähigen Ausgaben“ orientiert (+ ca. 10.000 €)

 

Diese Konsequenz geht aus der vom AWO-Kreisverband mit dem Antrag vom 19.07.2022 zugeleiteten Tabelle „Übersicht Eigenanteile“ anschaulich und korrekt beschrieben hervor.

 

Dieses Ergebnis ist für die AWO aberwitzig, niemandem zu vermitteln und kann auch vom Staat so nicht gewollt sein.

 

Die Bitte um Deckelung des Eigenanteils ist daher angemessen. Die Deckelung verhindert die unbillige Fehlentwicklung.

 

Abweichend vom Antrag (Deckelung auf jährlich 10.000 €) haben sich die drei Verwaltungen mit der AWO vorbehaltlich Gremienentscheidung auf einen Maximalbetrag von 11.000 € für das Jahr 2022 verständigt, der angesichts steigender Inflationsraten in den folgenden Jahren nach dem Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Bundesamts angepasst wird.

 

11.000 € ist etwa der Durchschnitt der Eigenanteile der Jahre 2018 – 2021.

 

Der Wunsch der AWO nach Deckelung des Eigenanteils im Zusammenhang mit der gleichzeitig steigenden staatlichen Förderung führt voraussichtlich auch zu keinen kommunalen Mehrausgaben. Auch bei Zugeständnis der beantragten Deckelung würde sich bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen trotzdem noch eine Minderung des kommunalen Finanzierungsanteils im Rahmen der Defizitfinanzierung um ca. 10.000 bis 15.000 € ergeben.

 

Die Regelung des 10%-Eigenanteils bei der staatlichen Förderung (1.4.4 FöRiLi 2021 + 2022) bindet zum einen nicht die kommunalen Träger, denselben Eigenanteil zu verlangen. Sie gilt daneben aber auch nur grundsätzlich, also im Regelfall.

 

Die wirtschaftliche Situation des Frauenhausträgers kann daher berücksichtigt werden. Zu sehen ist auch, dass die Gebietskörperschaften mit dem AWO-Kreisverband Aschaffenburg als Frauenhausträger seit 1994 sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten, was auch für die Zukunft angestrebt wird.

 

Jedenfalls die Deckelungsregelung sollte rückwirkend ab 01.01.2022 (also bereits für die Abrechnung des Jahres 2022 im kommenden Jahr) gelten.

 

Erhöhung der anerkennungsfähigen Wochenarbeitszeit der Hauswirtschaftskraft (Reinigungsfrau) um 5 Stunden

 

Der Stellenplan für das Frauenhaus Aschaffenburg als Anlage 3 der Vereinbarung vom 28.01.2020 und damit auch die von den Gebietskörperschaften berücksichtigungsfähigen Personalkosten orientieren sich am „zuwendungsfähigen Personal“ nach den staatlichen Förderrichtlinien (Nrn. 1.5.2 i.V.m. 1.4.1 FöRiLi 2021 + 2022).

 

Während die Stellenanteile für das Fachpersonal für Beratung und Betreuung der Frauen und Kinder sowie Geschäftsführung in Abhängigkeit von der Größe des Frauenhauses in den FöRiLi vorgegeben sind, sind die zuwendungsfähigen Personalstellenanteile für Verwaltung und Gebäudemanagement nicht konkret definiert.

 

Die Übernahme von

 

Personal für die Verwaltung

0,5

E6

Personal für das Gebäudemanagement (Reinigung, Hausmeister)

0,4

E2

 

in Anlage 3 der Vereinbarung vom 28.01.2020 ergab sich aus dem vorhandenen und seit Jahren beschäftigten Personal des Frauenhauses bzw. den Personalbedarfsangaben der AWO. Der AWO-Kreisverband Aschaffenburg war in seinen Forderungen niemals unangemessen. Wenn AWO damals 0,5 VZK Gebäudemanagement gesagt hätte, stünden schon heute 0,5 VZK Gebäudemanagement im Stellenplan.

 

Der angemeldete Mehrbedarf von 5 Wochenstunden E 2 würde die drei Gebietskörperschaften zusammen jährlich ca. 3.500 € zusätzlich kosten.

 

Zur Begründung der zusätzlich notwendigen 5 Wochenstunden erklärte die Frauenhausleitung, dass das Hauswirtschaftspersonal den Frauen -  oftmals mit Migrationshintergrund - Anleitungen zur Sauberhaltung ihrer Räume geben müsse und dies immer mehr Zeit in Anspruch nehme. Dies sei aber dringend notwendig.

 

Vor einem Jahr seien zwei Wasserschäden entstanden, weil die Bewohnerinnen in sehr unprofessioneller Weise ihre Zimmer geputzt hätten. Selbst wenn die Versicherung die Kosten für die Behebung der Wasserschäden getragen habe, ist der Frauenhausträger im Rahmen der Schadensminimierungspflicht angehalten, Gegenmaßnahmen zur Vermeidung künftiger Schäden in die Wege zu leiten, zumal auch sonst Kündigung der Versicherung drohen würde.

Die Instruierung der Bewohnerinnen zur sachgerechten Raumpflege dem sozialpädagogischen Fachpersonal zusätzlich zu übertragen, wäre personalorganisatorisch unwirtschaftlich.

 

Umgestaltung der Vereinbarungsformulierung zur Erfüllung der formellen Voraussetzungen einer Leistungsvereinbarung nach § 36a SGB II zur Abrechnung von Kostenerstattungsansprüchen

 

Bei Aufnahme einer Frau von „außerhalb“ in einem Frauenhaus ist gemäß § 36a Sozialgesetzbuch (SGB) II (Regelungen für die Jobcenter) der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Frau verpflichtet, dem zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für den Aufenthalt im Frauenhaus zu erstatten.

 

Relevant ist diese Vorschrift für uns fast nur im Verhältnis zu außerbayerischen kommunalen Trägern und Jobcentern, weil es innerhalb Bayerns eine Frauenhausvereinbarung gibt, nach der die bayerischen Träger gegenseitig keine Kostenerstattung nach § 36a SGB II geltend machen. Die meisten bayerischen Träger sind dieser Vereinbarung beigetreten.

 

Das Jobcenter Miltenberg zahlt aufgrund § 36a SGB II regelmäßig oft auch 5-stellige Beträge an außerbayerische Träger, in deren Frauenhaus eine Frau aus dem Landkreis Miltenberg Zuflucht gefunden hat.

 

Umgekehrt muss das Jobcenter der Stadt Aschaffenburg gemäß § 36a SGB II die Hotel- und psychosozialen Betreuungskosten (kommunale Eingliederungsleistung nach § 16a SGB II) bei außerbayerischen Trägern geltend machen, wenn von dort Frauen in unserem Frauenhaus untergebracht wurden.

 

Das Verfahren hierzu ist bislang in Anlage 6 zur Frauenhausvereinbarung geregelt.

 

Nach der aktuellen Rechtsprechung (zuletzt LSG NRW, Urteil vom 5.10.2021 – L 2 AS 551/19) ist für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II zwingend eine Vergütungsvereinbarung zwischen dem Träger eines Frauenhauses und dem kommunalen Träger vor Ort erforderlich. Auch wenn an diese Vereinbarung nach dem Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, müssen doch verschiedene Mindestaspekte darin geregelt sein, die unsere aktuelle Frauenhausvereinbarung derzeit noch nicht ganz eindeutig enthält.

 

Dies sind nach § 17 Abs. 2 SGB II vor allem Regelungen über

 

·         Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen,

·         die Vergütung sowie

·         die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen.

 

Während die letzteren beiden Punkte bereits im Wesentlichen erfüllt werden, fehlt aktuell mindestens eine konkrete Beschreibung der Aufgaben des Frauenhausträgers (Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen). Daneben sollte auch das Jobcenter Stadt Aschaffenburg als Vertragspartner des Frauenhausträgers eingebunden werden.

 

In der jüngsten Vergangenheit hatten deshalb das Jobcenter Stadt Aschaffenburg bzw. die Stadt Aschaffenburg wiederholt Schwierigkeiten, geltend gemachte Kostenerstattungsansprüche nach § 36a SGB II durchzusetzen.

 

Die aktuelle Vereinbarung muss daher rechtsprechungskonform umformuliert werden.

 

Mehrkosten entstehen den Gebietskörperschaften hierdurch nicht. Im Gegenteil soll damit erreicht werden, dass zustehende Ersatzansprüche, die die kommunale Belastung der drei Gebietskörperschaften senken, künftig reibungsloser realisiert werden können.

 

 

 

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